In Deutschland existiert nach wie vor ein Fernbehandlungsverbot. Doch die Möglichkeit, sich per iPhone- oder Android-Anwendung eine ärztliche Begutachtung zu holen, die „Telemedizin“, ist auf dem Vormarsch. Beispiele sind die zahlreichen, in den USA bereits gängigen Smartphone-Überwachungssysteme, mit denen Patienten Blutwerte, Blutzuckerspiegel oder Herzfrequenz in Datenbanken einspeisen und sich entsprechende Ergebnisse abrufen können.
Jetzt ist ein erstes deutsches Projekt am Start – bislang noch gegen den Widerstand einiger Ärztekammern.
Der Berliner Geschäftsführer des Unternehmens, Simon Lorenz, praktiziert Telemedizin nach eigener Angabe schon sein Leben lang, denn als Mitglied einer Ärztefamilie holte er sich kurzerhand anhand eines Fotos samt Fallschilderung einen verwandtschaftlichen Rat oder eine Rezept-Empfehlung per Telefon. Dieses Konzept macht besonders in der Radiologie oder der Dermatologie Sinn, wo ohnehin anhand visueller Eindrücke diagnostiziert wird.
Per Applikation „Klara“ für iPhone oder Android lassen sich zukünftig die langen Wartezeiten auf Termine beim Hautarzt überbrücken: Innerhalb von 48 Stunden erhalten Kassenpatienten eine erste Beurteilung ihres Falles. Ein selbsterstelltes Foto liegt jeder Anfrage zugrunde.
Der Empfänger der Botschaft ist ein Dermatologe, der mit Hilfe passender Textbausteine seine Ersteinschätzung zurücksendet. Biopsien, also Gewebeentnahmen für Laboruntersuchungen, oder Abtasten sind relativ selten erforderlich. 70 Prozent aller Auffälligkeiten könnten online schon anhand eines Fotos richtig eingeordnet und sogar therapiert werden, so die Entwickler der Applikation. Für eine genaue Anamnese per iPhone wurden im Klinikum rechts der Isar, dem Universitätsklinikum der Technischen Universität München, spezielle Fragebögen entwickelt.
Im praktischen Einsatz lassen sich mit dieser Anwendung viel Zeit und Geld sparen und die Patienten erhalten schnell meist beruhigende Antworten.
Rezepte können natürlich auf diesem Wege nicht ausgestellt werden – diesen Fällen wird dann mit der angemessenen Dringlichkeit zum realen Arztbesuch geraten. Auch fehlt unter keiner Antwort der in Deutschland korrekte rechtliche Hinweis auf eine finale Diagnose, die nur persönlich beim Arzt einzuholen ist.
Bei der Bundesärztekammer weichen die Fronten inzwischen auf: Denn wer will, kann sich heute bereits im Internet ausgiebig über Krankheiten informieren, oft lange, bevor er ärztliche Beratung sucht. Nicht alle verfügbaren Quellen sind verlässlich oder werden vom medizinischen Laien richtig ausgewertet. Daher ist eine geregelte, hochwertige Beratung vom ausgebildeten Fachmediziner per Telemedizin die beste „Therapie“ gegen Fehlinformationen, Fehl-Interpretationen und unseriöse Auskünfte im Netz.
aktualisiert am 18.09.2014