Was genau Neurodermitis auslöst, die immerhin 2 Prozent der Bevölkerung regelmäßig quält, konnte bislang noch nicht ermittelt werden. Eine Heilung ist nicht möglich. Lediglich bei der Symptombekämpfung machen Wissenschaftler und Fachärzte Fortschritte. Ein neuer Behandlungsansatz verspricht nun einen nebenwirkungsfreien Weg, um Patienten zumindest über bestimmte Zeiträume von ihren Beschwerden zu befreien: Dazu werden die Immunglobuline aus dem Blut gefiltert.
Angehörige von Betroffenen möchten diesen zuweilen am liebsten Boxhandschuhe anziehen, um sie vom verzweifelten, oft schon unbewussten Kratzen abzuhalten: Blutige, schorfige, entzündete Haut, die sich obendrein schält, ist das Ergebnis akuter Schübe.
Was dagegen hilft, ist eine regelmäßige, zeitaufwändige und speziell auf den Patienten abgestimmte Hautpflege. Sie verbessert die Funktion der Hautbarriere gegen Außenreize aller Art und fängt die Krankheitsattacken in ihrer Dauer und Heftigkeit ein wenig ab.
Im akuten Fall wird Cortison in Salbenform eingesetzt. Doch trotz der Wirksamkeit des entzündungshemmenden Hormons treten bei Langzeitanwendung starke Nebenwirkungen auf. Die schlimmste davon ist die Ausbildung einer trockenen und papierdünnen „Pergamenthaut“, die beim geringsten Sonnenstrahl Verbrennungserscheinungen zeigt und hochempfindlich auf Außenreize reagiert. Ein Teufelskreis: Denn ohne Cortison-Cremes sind die Neurodermitis-Schübe kaum zu überstehen.
Ärzte vermuten als Auslöser der Neurodermitis eine Kombination aus erblichen Faktoren, Stress und Umweltreizen. An der Universitätsklinik Lübeck stellte man kürzlich fest, dass das Immunglobulin E, kurz IgE genannt, bei 80 Prozent aller Neurodermitis-Patienten vermehrt auftritt. Wie bei Allergien über-reagiert der Körper, hier insbesondere die Haut, auf „Eindringlinge“: Harmlose Blütenpollen, Hausstaub, Bestandteile von Nahrungsmitteln lösen sofort die Bildung von Antikörpern aus. Die Konzentration des IgEs in Haut und Blut steigt. Die Folge sind die bekannten juckenden Entzündungsherde.
Medikamente, die die gesamte körpereigene Immunabwehr unterdrücken, können bei Neurodermitis zwar kurzfristig helfen, sind im Einsatz jedoch naturgemäß riskant.
In Lübeck testete man nun erstmals den neuen Behandlungsansatz „von innen“: Man filterte das IgE mittels Blutwäsche aus dem Blutplasma heraus. Ausführen kann diese Prozedur jeder Nierenspezialist, der über ein Dialysegerät verfügt.
Mehrere Studien in Lübeck verliefen bislang erfolgreich: Zweimal fünf Tage nacheinander mussten sich die Patienten im Test der Dialyse unterziehen, dazwischen lag eine vierwöchige Pause. Selbst bei Langzeitpatienten besserte sich der Haut- wie der Allgemeinzustand rapide. Nun ist eine längere Studiendauer geplant.
Zwar ist das Verfahren relativ teuer, und schon nach ein bis zwei Monaten baut sich im Blut der Patienten erneut der erhöhte IgE-Spiegel auf, ein Prozess, der die Medizin noch immer vor Rätsel stellt. Die Vorzüge der Blutwäsche überzeugen jedoch und machen Hoffnung: Die Behandlung ist absolut frei von Nebenwirkungen und kommt mittlerweile auch bei anderen allergischen Erkrankungen zum Einsatz. Die Patienten erleben eine eindeutige Besserung aller Symptome.
aktualisiert am 30.01.2014