Mit der Hyposensibilisierung soll eine eigentlich unnötige, überschießende Reaktion des Immunsystems auf ein Allergen reduziert werden. Es handelt sich um die einzige schulmedizinische Behandlungsform von Allergien.
Sie setzt direkt an der Ursache der Allergie an. Die Hyposensibilisierung wird manchmal auch als Desensibilisierung oder Spritzenkur bezeichnet. Der Begriff Desensibilisierung ist jedoch irreführend, da beim Patienten die Sensibilisierung auf das Allergen erhalten bleibt.
Die Reaktion des Immunsystems bleibt aus beziehungsweise tritt nur bei sehr starker Allergenbelastung auf. Der Therapieerfolg ist an der Verringerung der Beschwerden zu erkennen. Im besten Fall treten diese gar nicht mehr auf.
Allergien werden über Immunglobuline der Klasse E (IgE) vermittelt. Das IgE bindet an den IgE-Rezeptor, der sich unter anderem auf Mastzellen befindet. Das Allergen bindet über den Rezeptor-Antikörperkomplex an die Mastzellen und aktiviert diese durch Rezeptorquervernetzung. Dadurch kommt es zur Freisetzung von Histaminen und anderen Botenstoffen und proinflammatorischen Substanzen.
Man hofft sich durch die langsam in der Dosis ansteigende und wiederholte Exposition mit dem Allergen, einen so genannten Isotypenswitch in den Antikörper- produzierenden B-Zellen zu erreichen. Der Switch soll zum Immunglobulin G führen. Die meisten im Blut nachweisbaren Antikörper gehören der IgG-Klasse an, bindet es sein Epitop, so wird eine zellvermittelte Aktivität des Immunsystems induziert.
Die Allergene werden auf diese Weise einerseits bereits erkannt und abgeräumt, bevor sie IgE binden können und dadurch zu allergischen Beschwerden führen. Auf der anderen Seite werden zu Gunsten der entsprechenden IgG weniger IgE-Antikörper gebildet.
Bei einer natürlichen Exposition wird das Allergen in unregelmäßigen und vergleichbar niedrigen Dosen aufgenommen.
Dagegen wirkt die Hyposensibilisierung durch ein stetiges Einwirken hoher Dosen auf das Immunsystem. Der Körper wird bei dieser Immuntherapie langsam an die krankheitsauslösende Allergie-Substanz (Pollen, Milben, Insektengift etc.) gewöhnt. Es lernt, dass das Allergen „ungefährlich" ist.
Die Substanz wird in kleinsten, langsam ansteigenden Dosen eingespritzt oder in Tropfenform unter die Zunge gegeben.
Die Allergene werden subkutan (unter die Haut) in den Oberarm gespritzt. Hierbei liegen die Allergene entweder in wässriger Lösung vor oder sind an Depotträger gebunden.
Anfangs wird die Behandlung häufiger, in täglichen oder wöchentlichen Abständen, durchgeführt. Ist die Erhaltungsdosis erreicht, so wird der Behandlungsabstand auf vier bis sechs Wochen ausgedehnt, damit sich das Immunsystem an das Allergen gewöhnen und die Bildung von Antikörpern reguliert werden kann. Diese Therapieform gilt weiterhin als Goldstandard.
Bei der oralen Therapieform werden die Allergene über die Mundschleimhaut aufgenommen Hier wird die Therapielösung (oder Schmelztabletten) in den Mund genommen und dort kurz unter der Zunge belassen und später geschluckt oder wieder ausgespuckt. In der Regel erfolgt die Behandlung täglich.
Die erreichte Höchstdosis muss sowohl bei oraler als auch subcutaner Behandlung über einen längeren Zeitraum hinweg regelmäßig weiter verabreicht werden. In der Regel wird die Hyposensibilisierung über einen Zeitraum von drei Jahren durchgeführt.
Durch die Hyposensibilisierung soll eine mögliche allergische Reaktion möglichst beseitigt werden. Zudem erreicht man dadurch eine Verminderung des Medikamentenverbrauches oder die Abwendung eines weiteren Fortschreitens der Allergiekrankheit.
Weitere Therapieverfahren sind in der Erforschung oder haben sich in Deutschland nicht durchgesetzt, z.B. die nasale Hyposensibilisierung.
Eine Hyposensibilisierung ist möglich bei Allergien gegen:
Allerdings ist die Hyposensibilisierung gegen Schimmelpilzsporen und Tierhaare umstritten und wird daher selten durchgeführt. Dagegen finden sich Medikamente zur Nahrungsmittelhyposensibilisierung noch in der Erprobungsphase.
Bei einer Hyposensibilisierung gibt es Extrakte verschiedener Pollen, Hausstaubmilben, Insektengifte, Tierhaare und Schimmelpilze, die zur Behandlung eingesetzt werden. Die betreffenden Allergene werden für die Herstellung von Therapielösungen gereinigt und haltbar gemacht.
Der Einsatz der Hyposensibilisierung ist nur bei Krankheiten sinnvoll, bei denen das auslösende Allergen bekannt, die allergische Reaktionslage ursächlich und eine geeignete Therapielösung vorliegt.
Durch eine frühzeitige Therapie kann bei einem Teil der behandelten Patienten auch das spätere Auftreten von allergischem Asthma verhindert werden. Zudem können Kreuzallergien gegen Nahrungsmittel, die Allergenverwandschaften zu relevanten Pollen aufweisen, durch die Pollen-Hyposensibiliserung gebessert werden.
Die Hyposensibilisierung wird durchgeführt bei folgenden allergischen Beschwerden:
Eine Hyposensibilisierung wird nicht empfohlen, wenn es durch jahrelanges Bestehen von Asthma schon zu einer dauerhaften Einschränkung der Lungenfunktion gekommen ist und nicht mehr die Allergie, sondern deren Folgezustand im Vordergrund des Krankheitsgeschehens steht.
Prinzipiell birgt die Hyposensibilisierung natürlich ein Behandlungsrisiko, da die Wirkungsweise darin besteht, dass die Patienten bewusst allergieauslösenden Substanzen ausgesetzt werden.
Bei der subcutanen Hyposensibilisierung können folgende Nebenwirkungen auftreten:
Nach der Injektion des Allergens sollten die Patienten daher für mindestens 30 Minuten unter ärztlicher Aufsicht verbleiben. Im Falle eines allergischen Schock können rettende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.
Der Erfolg der Hyposensibilisierung ist abhängig von der Art der Allergie. Eine Beschwerdefreiheit oder deutliche Besserung der Beschwerden lässt sich folgendermaßen erreichen:
Die Erfolgsquote lässt sich durch Kombination mit naturheilkundlichen Verfahren noch steigern und die Nebenwirkungsrate verringern.
Letzte Aktualisierung am 12.03.2021.